Wach bleiben - Erinnern für heute und morgen

Aktivitäten der Städt. Gesamtschule Nettetal
zur Erinnerung an die jüdischen Bürgerinnen und Bürger
und die jüdische Kultur in ihrer Stadt

Erich Sanders (*1930, ✡1942)

Innerhalb von zwei Monaten kommt zuerst sein Vater durch die Nazis ums Leben, dann seine Mutter, dann wird das Schulkind Erich Sanders aus Kaldenkirchen selber bei den ersten NS-Experimenten mit Gas ermordet.

Von dem Kind ist kein einziges Foto übrig geblieben, geschweige denn ein Tagebuch, wie es fast jeder von dem Kind Anne Frank her kennt! Nur eine einzige Unterschrift konnten die Mitarbeiterinnen der Mahn- und Gedenkstätte der Landeshauptstadt Düsseldorf von Erich Sanders in Polen, im Ghetto Litzmannstadt/Lodz finden, mit der er im Mai 1942 den Umzug innerhalb des Ghettos bescheinigte: Hatten sie bisher mit rund 1000 Menschen in zwei Häusern in der Fischstraße des Ghettos gewohnt, so durften sie nun, nach einem halben Jahr, mit sieben Menschen in eine Ein-Zimmer-Wohnung umziehen.

Eine zweite Unterschrift von Erich Sanders fanden Schülerinnen der Gesamtschule Nettetal im Sommer 2013 im Kreisarchiv Viersen in Kempen bei ihren Recherchen für die Stolpersteine. Damit bescheinigt Erich dem Standesamt, dass er den jüdischen Namen Israel angenommen habe. Denn laut eines NS-Gesetzes vom 17. August 1938 mussten alle Jüdinnen und Juden im Deutschen Reich den Zwangsnamen "Sara" oder "Israel" führen.

Erichs Lebensweg

Erich Sanders wurde am 29. Mai 1930 in Kaldenkirchen geboren. Er lebte bis zu seinem 6. Lebensjahr mit seinen Eltern bei den Großeltern in der Bahnhofstraße 77. Im Jahre 1936 zog die Familie nach Süchteln zu seinen Großeltern mütterlicherseits in die damalige Krefelder Straße, ein paar Häuser vom Irmgardis-Krankenhaus entfernt. Hier wurde er in den Akten folgendermaßen registriert: "1937 gab es nur noch ein jüdisches schulpflichtiges Kind in Süchteln" (Stadtarchiv Viersen). Erich musste die jüdische Schule in Krefeld besuchen.

Am 28.10.1939 wurde die Familie Sanders gezwungen, in ein sogenanntes Judenhaus nach Düsseldorf in die Geibelstraße 39 zu ziehen. Ende Oktober 1941 wurde sie zusammen mit 1000 weiteren Jüdinnen und Juden vom Güterbahnhof Düsseldorf-Derendorf in das Ghetto Litzmannstadt in Polen deportiert.

Deportation der Kinder

Im September 1942 ereignete sich im polnischen Ghetto Litzmannstadt für die Kinder und Eltern die schlimmste Tragödie:
Die Kinder sollten "ausgesiedelt" werden. Es hatte sich aber schon an einigen Stellen herumgesprochen, dass sie getötet würden. Erichs Mutter versuchte mit sehr hoher Wahscheinlichkeit, ihr einziges Kind zu retten. Was blieb ihr sonst noch übrig? Vor knapp zwei Monaten war Erichs Vater an "Unterernährung" im Ghetto gestorben. Bei dem Versuch, ihren Sohn irgendwie zu beschützen oder zu retten, kann Erichs Mutter erschossen oder erschlagen worden sein. Wir werden es nie genau erfahren. In den Akten wird später beschönigend festgehalten, dass sie am 7. September 1942 an "Herzversagen" verstorben sei. Vier Tage danach, am 11. September 1942, wird ihr Sohn Erich grausam ermordet.

Ermordung in einem "Gaswagen"

Die Kinder und Alten, also die "Arbeitsunfähigen", die wirtschaftlich nicht ausgebeutet werden konnten, wurden nach Chelmno (Kulmhof), 70 km nordwestlich vom Ghetto, deportiert.
In einem einsam gelegenen verfallenen Gutshof, dem "Schloss", musste sich Erich ausziehen. Denn um größere Menschenmassen zu töten, war eine neue Technik entwickelt worden, die bisher schon bei körperlich und geistig Behinderten ausprobiert worden war: Mutterseelenallein wurde Erich Sanders gezwungen, mit etwa 70 anderen Opfern den Laderaum eines LKWs, eines "Gaswagens", zu betreten, der dann geschlossen wurde. Abgase wurden eingelassen. Wohl auf dem Weg in ein nahegelegenes Wäldchen, in dem sich die Massengräber befanden, ist Erich Sanders qualvoll erstickt.
Während dieser großen Tötungswoche, der "Großen Sperre", während der rund 20.000 Jüdinnen und Juden wurden aus dem Getto Litzmannstadt ermordet wurden, war der damalige Kommandant von Auschwitz, Rudof Höß, anwesend. Die hier gewonnenen Erfahrungen verwertete er dann für das größte Vernichtungslager in Polen!

„Lechol isch jesch schem“ – „Jeder Mensch hat einen Namen“

Zwei Anträge, in Süchteln Stolpersteine verlegen zu lassen, wo Erich vor seiner Deportation noch drei Jahre gelebt hatte, waren sowohl 2004 als auch 2011 "schriftlich und entschieden" vom heutigen Hauseigentümer in der Tönisvorster Straße (früher: Krefelder Straße) abgelehnt worden.

Am 10. Juli 2013 wurden für Erich und seine Eltern auf Initiative der evangelischen Kirche in Kaldenkirchen und der Städt. Gesamtschule Nettetal deshalb in seiner Geburtsstadt Kaldenkirchen in der Bahnhofstraße 77 vom Kölner Künster Gunter Demnig drei Stolpersteine verlegt.

Symbolisch ist die Familie Sanders dadurch wieder vereint!

Stolperstein

(Fotos: Mahn-und Gedenkstätte der Landeshauptstadt Düsseldorf und J. Breuer)

Book of names aus Yad Vashem

Den Namen "Erich Sanders" finden unsere Schülerinnen und Schüler während ihrer Auschwitz-Studienfahrt im Februar 2014 in der Sonderausstellung "Book of names" aus Yad Vashem, die sich in Auschwitz I (Stammlager) befand. Yad Vashem gilt als die bedeutendste Gedenkstätte, die an die nationalsozialistische Judenvernichtung erinnert und wissenschaftlich dokumentiert.

In Yad Vashem, der Gedenkstätte für Holocaust und Heldentum in Israel, haben wir in der "Halle der Namen" für Erich Sanders eine "Page of Testimony" hinterlegt.

Bar Mitzwa

Bei seiner Bar Mitzwa am 12. November 2016 in der Synagoge der jüdischen Gemeinde Düsseldorf übernimmt Philipp Noah aus Krefeld auch symbolisch die Patenschaft für die Bar Mitwa für Erich Sanders. Während des G`ttesdienstes berichtet er von Erichs Schicksal, im Foyer der Synagoge ist eine Ausstellung über Erich Sanders zu sehen.
Den Kontakt zu dem jüdischen Kind aus Nettetal hatte die Gedenkstätte für Holocaust und Heldentum Yad Vashem/Israel hergestellt.

Presse:

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