Das letzte Mal reiste Jack Klaber mit seiner Frau Bracha aus
Israel an, um am 9.11.2013 in Breyell mit der Gesamtschule Nettetal das Mahnmal
der ehemaligen Synagoge an der Biether Straße zu enthüllen. Nun trafen sich
viele Familienangehörige aus drei Kontinenten am 21. September 2014 in Bonn, um
die Ausstellung „Die Klabers. Geschichte einer jüdischen Familie aus dem
Rheinland“ zu eröffnen.
Schwerpunkt: „Empathisches Erinnern“
In ihrer Rede zum Eröffnungs-Matinee zum 30-jährigen Bestehen
der Gedenkstätte für die Bonner Opfer des Nationalsozialismus sprach Sylvia Löhrmann,
Ministerin für Schule und Weiterbildung NRW und stellvertretende Ministerpräsidentin
des Landes Nordrhein-Westfalen, der Familie Klaber ihre Hochachtung aus. Die
Familie habe Ausgrenzung und Vernichtung erfahren, viele Nachfahren hätten
trotzdem die zum Teil lange Reise auf sich genommen und seien nach Bonn
gekommen.
Als diesjährige Präsidentin der Kultusministerkonferenz hat Löhrmann
den Schwerpunkt Erinnerungskultur gewählt mit dem Ziel, die Demokratie zu stärken:
„Geschichtliches Wissen reicht nicht aus! Erinnerungskultur bedeutet weit
mehr: Erinnerungskultur, die berührt! Diese basiert auf Empathie, es ist
empathisches Erinnern“, so Löhrmann. „Die Schülerinnen und Schüler müssen
klar unterscheiden zwischen Diktatur und Demokratie. Dies hat für Deutschland
eine besondere Bedeutung, aber auch eine universelle: Demokratie und
Menschenrechte gehören zusammen. Dafür brauchen wir das Berührende, das
Empathische, um die historischen Quellen zum Leben zu erwecken.“ Dazu bräuchten
die Schülerinnen und Schüler die konkrete Auseinandersetzung mit persönlichen
Schicksalen, die von den Lehrpersonen einfühlsam und nicht mit dem erhobenen
Zeigefinder vermittelt werden müssten.
Persönliche Beziehungen pflegt die Gesamtschule Nettetal seit
geraumer Zeit mit den Nachfahren der Klabers in Israel, Jack Klaber und seiner
Familie. Sein Großvater, Jacob Klaber (1872-1931) ist in Nettetal bekannt als
Stifter des Synagogengrundstücks an der Biether Straße; sein Grab ist das
einzige jüdische Grab auf dem Friedhof in Breyell.
Fotos von der Ausstellung
Zu den Fotos (wenn nicht anders angegeben von J. Breuer):
-
Flyer der Ausstellung „Die Klabers. Geschichte einer jüdischen
Familie aus dem Rheinland.“
-
Sylvia Löhrmann, stell. Ministerpräsidentin während ihres
Grußwortes
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Gruppenfoto der „Klabers“ aus drei Kontinenten (Foto:
Bettina Dzieran)
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„Die Familie Klaber am Niederrhein“ - die 22. Fahne der
Ausstellung und andere Ansichten der Ausstellung
-
Jack Klaber im Gespräch mit Björn Dzieran von der Gedenkstätte
für die Bonner Opfer
-
Jack Klaber im Gespräch mit Thomas Hardt, ehemaliger
Kollege der Gesamtschule Nettetal, nun Schulleiter am
Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium in Bonn
Klabers: von Zülpich nach Nettetal
Die Wurzeln der Klabers reichen jedoch zurück bis nach Zülpich,
weitere Vorfahren sollen sogar in Prag nachgewiesen sein. Die Ausstellung
informiert darüber und über die Bedeutung des Namens „Klaber“:
„Die Geschichte der Familie Klaber kann in Zülpich über 200
Jahre zurückverfolgt werden... Als die napoleonische Gesetzgebung 1808 von den
Juden feste Familiennamen verlangt, wurde der Name Klaber offiziell.
„Klaber“ stammt von dem Wort „aufklauben, sortieren,
einsammeln“ und lässt darauf schließen, dass die Familie ursprünglich mit
Altwaren handelte. Der Familiengeschichte zufolge kamen die Vorfahren aus Prag.
Die Präsenz einer Familie Klaber in Prag belegt ein buntes Glasfenster mit
einer Widmung in der Spanischen Synagoge in Prag.“
Zum Ursprung des Familiennamens führt Jack Klaber aus: Es ist
auch sehr gut möglich, dass der Name von dem französischen General
Jean-Baptiste Kléber herstammt, da ihn am Niederrhein viele ehren wollten. Er
hatte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gebracht. Viele haben damals
diesen Namen angenommen!“
Wie aber sind ist ein Zweig der Klabers nach Nettetal gekommen?
Eine Fahne in der Ausstellung informiert darüber unter der Überschrift „Die
Familie Klaber am Niederrhein“. Hier ist auch das einzige erhaltene Foto der
Synagoge in Breyell sowie ein bisher noch nicht veröffentlichtes Foto des
Stifters des Synagogengrundstückes, Jocob Klaber mit seiner Frau Bernadina zu
sehen.
Auf der 22. Fahne der Ausstellung ist zu lesen:
„Moses Klabers Großneffe Jacob Klaber, geboren am 18. August
1872 in Sinzenich bei Zülpich, heiratet Bernadina „Babette“ Lichtenfeld und
zieht mit ihr 1901 nach Breyell am Niederrhein. Die beiden haben die Söhne
Hermann (1902-1980), Fritz (1904-1986), Felix (1908 und 1981) und Max
(1917-2001).
Um 1900 beschließt die jüdische Gemeinde in Breyell eine
Synagoge zu bauen. Jacob Klaber spendet das Grundstück. Die Synagoge wird 1910
eingeweiht, und er wird Kantor der Gemeinde...“
Jack Klaber vermutet: „Einiges spricht dafür, dass sich Jacob
Klaber und Bernadina Lichtenfeld in Bracht anlässlich der Hochzeitsfeier seiner
Schwester, deren Grab sich auf dem jüdischen Friedhof in Bracht befindet,
kennengelernt haben könnten.“
Während den Söhnen Hermann, Fritz und Max noch rechtzeitig die
Flucht aus Nazi-Deutschland gelang, saß Fritz Klaber in den Niederlanden fest.
Vergeblich versuchte er von dort, seine Frau Ilse von Breyell aus, eine
Ausreisegenehmigung für die ganze Familie, also auch für den Sohn Werner, zu
erlangen.
Exemplarische Familiengeschichte
Warum aber hat man nun in der alten Hauptstadt Bonn die jüdische
Familie Klaber ausgewählt, um das Bestehen ihrer Gedenkstätte zu feiern? Die
Argumente fasst die Leiterin der Gedenkstätte, Astrid Mehmel, in ihrer Rede zur
Eröffnung wie folgt zusammen:
Familie Klaber sei eine ganz normale Familie gewesen, die zeige,
dass Deutschland nicht nur seine jüdischen Akademiker verloren habe, sondern
dass auch der „ganz normale kleine Mann“ ermordet worden sei. Dazu komme die
sehr gute Quellenlage und dass man dem Thema mit der Familiengeschichte
wissenschaftlich gerecht werden könne, um eine Ausstellung zu ermöglichen.
Mehmel spielt auf die vielen Fotos an, die Margot Klaber – sie ist das Mädchen,
das auf dem Flyer der Ausstellung abgedruckt ist - die seinerzeit von Zülpich
nach Bonn gezogen war, um hier selbstständig zu arbeiten, bei ihrer Flucht nach
Amerika retten konnte. Mehmel: „Die Bilder müssen kontextualisiert werde und
in den großen Zusammenhang der NS-Geschichte, Lokalgeschichte und
Familiengeschichte gestellt werden.“
Ilse und Werner Klaber aus Breyell – Beginn der „Endlösung“
Auf der Fahne der Familie Klaber am Niederrhein ist über das
Schicksal von Fritz Klaber aus Breyell zu lesen: „Seine Frau Ilse und der
sechsjährige Werner werden am 11. Dezember 1941 von Düsseldorf in das Ghetto
von Riga deportiert – hier verliert sich ihre Spur.“
Die Einordnung dieser Biografien in die „große
NS-Geschichte“ ist besonders tragisch und bietet den Schülerinnen und Schülern
genügend Stoff, um das Ziel des „Empathischen Erinnerns“ zu ermöglichen:
Denn keine vier Wochen vor ihrer Deportation hatte Ilse Klaber noch eine
Bittschrift verfasst mit dem Anliegen, mit ihrem Sohn Werner von Breyell nach
Holland auswandern zu dürfen. Am 18. November 1941 lehnt der Bürgermeister
dies ab: „Nach einer inzwischen eingegangenen Geheimverfügung kann dem Antrag
nicht stattgegeben werden“ ist auf der Bittschrift zu lesen, die sich im
Original im Kreisarchiv Viersen in Kempen befindet.
Die Bittschrift fällt genau ist die Zeit, in der die NS-Politik
bezüglich der Behandlung der jüdischen Bevölkerung eine neue Phase einleitet:
den Massenmord, den sie selber mit dem Begriff der „Endlösung der
Judenfrage“ verschleiert. Die Wannseekonferenz, auf der von hochrangigen
Vertretern der ns-Regierung die Deportation in die Konzentrations- und
Vernichtungslager in Polen ausgehandelt wurde, fand zwar „erst“ am 20.1.2942
in Berlin statt, die Entscheidung zur Tötung war aber schon bereits in 1941
gefallen, wie das Bittschreiben von Ilse Klaber aus Nettetal eindrucksvoll
belegt: Am 23. Oktober 1941 wurde für die jüdische Bevölkerung ein
Ausreiseverbot erlassen, die Bittschrift von Ilse Klaber ist vom 18. November
1941, der dann aufgrund der eben zitierten „Geheimverfügung“ vom Breyeller
Bürgermeister nicht stattgegeben wurde.
In der Ausstellung lesen wir, dass Ilse und Werner Klaber sechs
Tage vor seinem sechsten Geburtstag, am 11. Dezember 1941 nach Riga deportiert
wurden. Eines der letzten Lebenszeichen ist eine Postkarte, auf der kleine
Werner Klaber seinem Vater zum Geburtstag gratuliert. Auch dieses Dokument ist
erhalten!
Die Gesamtschule Nettetal hat Jack Klaber zu danken, dass viele
anschauliche Dokumente in Kopie für Unterrichtszwecke zur Verfügung stehen!
Weitere Infos:
Die Ausstellung „Die Klabers. Geschichte einer jüdischen
Familie aus dem Rheinland“ ist noch bis zum 20. November 2014 in der Gedenkstätte
für die Bonner Opfer des Nationalsozialismus, An der Synagoge e.V. Bonn,
Franziskanerstraße 9, zu sehen. gedenkstaette-bonn@netcologne.de
Julietta M. Breuer
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